Ganz Berlin trägt Dirndl
Auf den Tag genau - A podcast by Jan Fusek, Fabian Goppelsröder und Robert Sollich

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Die landläufige Vorstellung, wonach es sich beim Dirndl um eine jahrhundertealte bäuerliche Volkstracht von der oberbayerischen oder tirolerischen Alm handele, hat ihre Heimat im Reich der bajuwarischen Mythen. Buchstäblich erfunden wurde es erst spät im 19. Jahrhundert, und zwar als durchweg städtische Modeerscheinung für ein bürgerliches Publikum, das sich bei seinen Ausflügen in die Sommerfrische an Chiemsee oder Tegernsee gerne etwas lässig-ländlich gewanden wollte. Als vergleichsweise schlichte und deshalb kostengünstigere Alternative zu aufwendigen herkömmlichen Sommerkleidern eroberte es nach dem Ersten Weltkrieg schließlich zunehmend auch die heimischen urbanen Laufstege, und das keineswegs nur in München oder Augsburg. Unser heutiger Bericht aus der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 30. Juni 1921 dokumentiert vielmehr eindrücklich, dass der Dirndl-Hype vor einhundert Jahren längst den Weißwurst-Äquator überschritten und selbst die preußische Kapitale Berlin in seinen Bann geschlagen hatte. Für uns liest, nein, nicht Rainer Brüderle, sondern Frank Riede.